Ein bewegtes Leben mit Depressionen
Gerhard F. läuft in kleinen, vorsichtigen Schritten durch die Wohnung. Immer wieder suchen seine Hände an Möbeln nach Halt. Der 85-Jährige ist länger schon bewegungsunsicher, was in der Vergangenheit oft zu Stürzen führte. Verstärkt haben sich die Schwierigkeiten vor drei Jahren: Beim Verfehlen einer Stufe brach er sich den Oberschenkelknochen. Ohne Rollator kann er sich heute nur noch schlecht vorwärtsbewegen.
Vom selbstständigen Grafiker zum Frührentner
Gerhard F. ist schwerbehindert. Das Foto in seinem Behindertenausweis zeigt ihn als Mann mittleren Alters. "Depressive Episoden" haben ihn über Jahre begleitet. Mal weniger, mal mehr: "Wir hatten gute Jahre, in denen sich die Depressionen meines Mannes kaum zeigten", erzählt Ehefrau Helene. Doch mit dem Alter verstärken sich die Symptome. Auf Belastungen im Privat- und Berufsleben reagiert Gerhard F., der selbstständiger Grafiker und Vater von vier Kindern ist, zunehmend sensibler. Immer öfter treten die Depressionen auf, wochenlange Aufenthalte in Krankenhäusern folgen, und immer seltener kann er seiner Arbeit nachgehen. Irgendwann ist er "ausgesteuert", bekommt weder Lohn noch Krankengeld. Herr F. beantragt die Erwerbsminderungsrente und erhält sie mit 58 Jahren.
Alltag und Lebensfreude mit Behinderung
Trotz der Krankheit pflegt das Paar gemeinsame Hobbys, so gut es eben geht. "Wir haben Tanzsport gemacht, Latein und Standard. Sogar zwei Abzeichen in Gold haben wir gewonnen", erinnert sich schmunzelnd Ehefrau Helene. Dann natürlich die Kinder und mittlerweile sieben Enkelkinder. Da sei an den Festtagen immer viel los und man müsse gut koordinieren, erklärt sie. Herr F. malte früher sehr gerne - Aquarelle und Acryl. "Im Keller hängen ganz viele Bilder, und sogar Ausstellungen hat er gemacht", preist Helene F. stolz das Talent ihres Mannes, doch der wehrt nur bescheiden ab. "Das Malen", so sagt er, "hat mir in den schweren Phasen der Depressionen sehr geholfen." Auch gereist ist das Paar viel, noch heute schwärmen sie von den Ländern, die sie gesehen haben.
Tagespflege als zweites Zuhause
In den letzten Jahren spielt sich allerdings der Alltag von Gerhard F. fast ausschließlich in den eigenen vier Wänden ab. Zu unsicher ist sein Gang, zu schnell überfordert ihn draußen der Trubel. Da sei die Tagespflege ein Segen, beteuern beide. Seit rund zwei Jahren geht Gerhard F. viermal die Woche in das Caritas-Zentrum St. Franziskus in Mannheim, kommt so heraus aus der eigenen Wohnung, hat Abwechslung. Im Zentrum nimmt er mit anderen Seniorinnen und Senioren an verschiedenen Angeboten teil. "Wir basteln oft", erklärt er und hält einen Stern hoch, den er vor einigen Tagen angefertigt hat. Außerdem könne er dort gut im Innenhof mit dem Rollator laufen, man würde auch oft gemeinsam singen oder Gymnastik machen. Für Herrn F. ist das Zentrum ein zweites Zuhause geworden, und der Aufenthalt dort tut ihm sichtlich gut.
Wissen, welche Leistungen einem zustehen
Für die 79-jährige Ehefrau, die sich sonst rund um die Uhr um ihren Mann kümmert, ihm beim Anziehen und im Bad hilft, ist die Tagespflege eine Entlastung: "Alleine mit ihm nach draußen zu gehen wird immer schwerer. Der Rollator ist sperrig und ich kann ihn kaum noch in das Auto heben." Wichtig bei der Wahl der Tagespflege waren ihr die Räumlichkeiten. Das Caritas-Zentrum hätte sie noch im Rohbau überzeugt, und Gerhard F. war der Erste, der sich dafür anmeldete. "Ich kenne Herrn F. seit rund fünf Jahren", erklärt Elfriede Lehmann von der Caritas-Seniorenberatung in Mannheim. "Viele ältere Menschen mit Behinderung wissen oft gar nicht, welche Leistungen ihnen zustehen. Ich berate sie, gebe Empfehlungen und vermittle", so Lehmann. Das Ehepaar F. hätte sie über die Pflegeversicherung informiert und gemeinsam wurde dann der Antrag auf einen Pflegegrad gestellt (vgl. "Was übernimmt die Pflegeversicherung?").