Ein Dauerthema für die Jugendhilfe: Sexualpädagogik
Das ist die Meinung von Uwe Sielert, emeritierter Professor für Sexualpädagogik der Universität Kiel. Er leitete auf dem Caritaskongress zusammen mit Melanie Mahr, Doktorandin im Fachbereich Caritaswissenschaften an der Universität Freiburg, die Session zum Thema "Sexualpädagogik im Kontext katholischer stationärer Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe".
Haben Lust, Trieb und Sexualität einen eigenen Wert?
Zentrales Thema war: Wie kann die Caritas als Träger pädagogischer Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe eine gesunde Sexualentwicklung ermöglichen? Wie sollen Pädagogen damit umgehen, wenn Jugendliche verschiedenste Formen der Lust ausprobieren und ihre Sexualität ausleben wollen? Wie kann eine pädagogische Beziehung gelingen, in denen intime Gespräche möglich sind? Wie sollen Pädagogen mit Nähe und Distanz umgehen? Wie sieht es mit der sexuellen Ausrichtung von Mitarbeitenden und Jugendlichen in den Einrichtungen aus? Wie kann man mit der Angst umgehen, dass eine Jugendliche in der Einrichtung schwanger wird? Wie können Mitarbeitende einer katholischen Einrichtung die Moralvorstellungen verschiedenster Konfessionen in ihre Arbeit mit einbeziehen?
Das alles waren Fragen, die aus dem Publikum heraus gestellt wurden. Sie zeigen, wie wichtig und dringlich eine Auseinandersetzung mit Sexualität in den Einrichtungen ist, und dass es Antworten braucht, die der Realität vor Ort entsprechen. "Es fehlen häufig verbindliche sexualpädagogische Konzepte und eine Kultur im Umgang mit Sexualität", so das Urteil der beiden Wissenschaftler. Die moralischen Positionen der Einrichtungsträger seien häufig diffus.
Die meisten Jugendlichen haben Sehnsucht nach Bindung und Treue
Das verunsichert die pädagogischen Fachkräfte. Denn gerade in der stationären Jugendhilfe passen die Lebenswelten der Jugendlichen selten zu den Vorgaben der katholischen Morallehre. Ihre Lebenswelt ist eine andere. Viele haben häusliche oder sexualisierte Gewalt erfahren, haben Beziehungsabbrüche, Trennungskonflikte oder Suchtprobleme in der eigenen Familie erlebt. Sie haben von dort keine Vorbilder bekommen, um eine Person zu werden, die dauerhafte Beziehungen eingehen und eine Sexualität leben kann, die ihr gut tut.
Dennoch, das zeigt eine Studie, die Melanie Mahr im Rahmen ihrer Doktorarbeit durchgeführt hat, haben die meisten Jugendlichen eine große Sehnsucht nach Bindung und Treue. Hier kann, so Melanie Mahr, eine konfessionell gebundene Einrichtung ansetzen und Werte vermitteln. Doch dies geht nur durch Beziehung, Gespräch und klare pädagogische und strukturelle Vorgaben in der Einrichtung.